Ein kranker Vogel - was tun?

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Gleichwohl, ob man stolzer Besitzer eines Stubenvogels Namens "Bubi" oder "Jaco" oder aber Züchter derartiger Tiere ist, schon der Gedanke an die Erkrankung eines Vogels kann zum Alptraum werden. Das Wissen, dass noch nicht vollständig domestizierte Tiere (Vögel muss man unbedingt dazu zählen) sehr lange eine Erkrankung verbergen können, um nicht in der Rangordnung abzufallen, erschwert die Situation noch zusätzlich. Vielleicht ist ein abnehmender Spieltrieb, zunehmende Aggressivität oder ein leichter Gewichtsverlust zu beobachten, mehr aber oft nicht. Mit anderen Worten:

Ein sichtbar kranker Vogel ist immer ein schwer kranker Vogel!

Sitzt ein Vogel aufgeplustert auf der Stange, so hat er meist große Probleme, seine Körpertemperatur zu halten. Bedingt durch eine relativ große Körperoberfläche im Vergleich zum Gewicht und durch einen sehr intensiven Stoffwechsel können Vögel so sehr schnell in einen kritischen Zustand gelangen. Um die Vögel bei der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur zu unterstützen, leistet die klassische Wärmelampe immer noch gute Dienste. Sie sollte eine Sitzstange des Käfigs aus ca. 70 cm Abstand anstrahlen (mit der Hand kann geprüft werden, ob die so erreichte Temperatur auf Dauer für Mensch und Vogel angenehm ist). Der Vogel muss jedoch immer(!) die Möglichkeit haben in einen kühleren Teil des Käfigs auszuweichen, um Überhitzungen zu vermeiden. Am Einfachsten erreicht man dies, indem die nicht angestrahlte Hälfte des Käfigs mit einem Tuch oder ähnlichem abgedeckt wird. In jedem Falle gilt: erholt sich der Vogel nicht innerhalb weniger Stunden, ist er unbedingt dem Tierarzt vorzustellen.

Verständlich ist das Bestreben zahlreicher Vogelhalter, für den "Fall der Fälle" die notwendigen Mittelchen parat zu haben. Neben einer Wärmelampe braucht eine so genannte Notfallapotheke trotzdem nur aus Mitteln zur Wundversorgung und zur Stärkung des Patienten einschließlich der Parasitenbekämpfung bestehen. Entscheidend bei einem Notfall ist besonnenes und der Situation angemessenes Handeln. Darauf kann und sollte man sich vorbereiten. Die wichtigsten Maßnahmen sind leicht zu erlernen und können schon vorbeugend geübt werden:

Um für den Notfall gewappnet zu sein, sollte man das stressarme Fangen des Vogels vorher spielerisch üben: Die meisten Papageien und Sittiche lassen sich gut mit einem (Hand-)Tuch fangen. Langsam sollte das Tier daran gewöhnt werden. Wenn es gelungen ist, das Tuch über den Kopf des Vogels zu streifen, kann man den Vogel mit Daumen und Mittelfinger einer Hand am Unterkiefer fixieren. Der Zeigefinger befindet sich dabei auf dem Kopf. Die Flügel werden mit der anderen Hand locker(!) am Körper fixiert und bei Bedarf mit den Füßen in das Tuch eingewickelt. Nicht an dieses Handling gewöhnte Vögel sollten auf die gleiche Art und Weise gefangen werden, wobei der Überraschungseffekt ausgenutzt werden kann. Von Vorteil ist dabei ein abgedunkelter Raum, in dem der Vogel nicht so schnell versucht zu fliehen. Das Tuch bietet überdies den Vorteil, dass der Vogel nicht gezielt zubeißen kann und die Hand dadurch ausreichend geschützt ist. Wenn überhaupt, sind Handschuhe nur bei großen Kakadus und Aras vonnöten. Hat man den Vogel auf diese Art und Weise fixiert, können die notwendigen Behandlungen vorgenommen oder der Vogel in eine Transportbox gesetzt werden.

Ist ein Transport zum Tierarzt notwendig, so sollte dieser möglichst stressfrei erfolgen. Sehr gut eignen sich dafür Katzentransportboxen, die von vorn zu öffnen sind. Optimal ist es, wenn diese bereits Bestandteil der gewohnten Umgebung des Vogels sind und dort z.B. ab und zu das Lieblingsspielzeug oder etwas Futter versteckt werden. Natürlich kann der Vogel mit kleinen Ausflügen in diesem Behältnis an Fahrten gewöhnt werden. Der Boden der Box wird mit einem Handtuch, einem Stück Teppich (rutschfest!) oder dicken Lagen Zellstoff ausgelegt, damit der Vogel weich sitzt und sich festhalten kann. Zusätzlich kann eine Sitzstange montiert werden. Futter und Wasser sind in den meisten Fällen für die Fahrt nicht notwendig. Man kann aber z.B. ein Stück Apfel anbieten, falls der Vogel das mag. Ebenfalls für den Transport geeignet sind kleinere Käfige, die normalerweise als Schlaf- und Futterkäfige dienen, sofern sie in das Fahrzeug passen. Diese sollten aber mit einem Tuch oder einer Decke abgedeckt werden, um den Vogel vor Zugluft und ungewohnten optischen Reizen zu schützen. In abgedunkelter Umgebung sind die meisten Vögel außerdem ruhiger. Die Temperatur im Fahrzeug sollte der gewohnten Umgebungstemperatur des Vogels entsprechen. Sucht der Vogel Wärme (Rotlichtlampe), sollte er natürlich auch während des Transports möglichst warm gehalten werden.

Eine Erkrankung kann ansteckungs- oder nicht ansteckungsbedingt sein:

Nicht ansteckungsbedingte Erkrankungen sind z.B. Verletzungen, Vergiftungen und Organerkrankungen (wie Legenot, Tumoren usw.).

Bei leichten Verletzungen der Haut oder der Krallen kann der Besitzer dem Vogel oft selbst helfen, indem er die Wunde säubert, desinfiziert (z.B. mit Jod) und die Blutung stillt. Die Blutstillung kann durch Kompression (Ausüben von leichtem Druck) mit einem Gazetupfer oder Mull aus dem Verbandkasten erfolgen. Nach spätestens 3-5 Minuten sollte die Wunde aufgehört haben zu bluten. Ein- oder abgerissene Krallen versorgt man am Besten, indem man sie in ein Stück feuchter Seife drückt. Durch die adstringierende Wirkung der Seife verengen sich die Blutgefäße der Kralle sehr schnell. Bei stärkerem Blutverlust bzw. bei Verdacht auf einen Knochenbruch muss natürlich unbedingt ein Tierarzt aufgesucht werden.

Erschrickt sich der Vogel, kann es zu Verletzungen durch Anfliegen von Fensterscheiben, Gittern oder anderen Gegenständen kommen. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, dass zusätzliche Aufregung vermieden wird und der Vogel sich von dem Schock erholen kann. Was er jetzt braucht, ist vor allem Ruhe. Man sollte also den Raum bzw. Käfig abdunkeln und laute Geräusche sowie Hektik vermeiden. Durch unauffälliges Beobachten lässt sich sehr gut feststellen, ob sich der Vogel langsam wieder erholt oder sich der Zustand verschlechtert. Im letzteren Falle muss möglichst schnell ein Tierarzt aufgesucht werden. Ist jedoch das Verhalten nach wenigen Stunden wieder normal, ist der Unfall glimpflich verlaufen.

Da bei Anflugverletzungen davon ausgegangen werden muss, dass das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wurde, darf hierbei keine Wärmelampe eingesetzt werden!

Vergiftungen stellen immer ein schwerwiegendes Problem dar. Die Prophylaxe in Gestalt von Fernhalten eventuell giftiger Substanzen steht hier an allererster Stelle.

Als Giftquelle bei Vögeln spielen Zierpflanzen verständlicherweise eine wichtige Rolle. Außerdem können auch exotische Früchte wie z.B. Avocados für Vögel giftig sein. Ob eine Pflanze tatsächlich giftig ist, lässt sich sehr schnell im Internet (z.B. unter www.giftpflanzen.com) ermitteln. Häufige im Haushalt vorkommende giftige Pflanzen sind u.a. Alpenveilchen, Amaryllis, Dieffenbachie, Ficus, Gummibaum, Primeln und Weihnachssteren.

Aber auch die für Säuger unschädlichen Teflon-Gase, welche beim Braten mit beschichteten Bratpfannen ab einer bestimmten Temperatur entstehen, sind für Vögel absolut giftig (den Stubenvogel nicht in der Küche halten!).

Weitere Vogelgifte sind Schwermetalle. Sehr schnell kommt es nach der Aufnahme von Blei zu Vergiftungserscheinungen. Neben Bleiverglasungen (z.B. Tiffany-Lampen), Gardinenschnüren und Blei-Lametta können auch Dichtgummis (z.B. von Kühlschränken) und ältere Farbanstriche (Mennige)  bleihaltig sein. Hin und wieder werden leider immer noch bleihaltige Geschosse (Luftgewehr, Schrot) als Auslöser von Vergiftungen gefunden.  Zink führt zu ähnlichen Vergiftungserscheinungen wie Blei, jedoch entwickeln sich die Krankheitsanzeichen meist langsamer. „Zinknasen“ an neuem Volierendraht haben schon viel Kummer bereitet. Diese sollten gründlich entfernt werden. Nach ca. 3 Monaten sind Verzinkungen soweit ausgehärtet, dass die meisten Vogelarten diese nicht mehr abnagen können und die Gefahr somit sehr gering wird. Eine Ausnahme bilden insbesondere Kakadus, die ein sehr intensives Nageverhalten auch an harten Materialien an den Tag legen.

Anzeichen von Vergiftungen sind häufig zentralnervöse Störungen wie Zittern, Gleichgewichtsstörungen oder Krämpfe. Ein schneller Gang zum Tierarzt ist hier unerlässlich.

Ansteckungsbedingte Erkrankungen sind durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten verursachte Krankheiten.

Bakterien (z.B. Salmonellen, Staphylokokken, Klebsiellen, E. coli oder Chlamydien - die Erreger der „Papageienkrankheit“ Psittakose) lassen sich heute durch spezielle Untersuchungsverfahren gut nachweisen und können auf Grundlage so genannter Resistenzteste (=Antibiogramme) durch entsprechende Antibiotika gezielt bekämpft werden. Eine Antibiotikabehandlung sollte immer nach strenger Indikation, dann aber über den vorgegebenen Behandlungszeitraum und in der angegebenen Dosierung erfolgen. Nur so kann die Wirksamkeit dieser Medikamentengruppe auf Dauer erhalten bleiben. Dies darf nicht durch Resistenzen bildende "vorbeugende" oder "verkürzte" Behandlungen auf das Spiel gesetzt werden! Außerdem wird bei Antibiotikagaben neben krankmachenden Bakterien auch die normale Keimflora des Vogels zerstört. Dabei entfallen erstens die Bakterien als Antagonisten der Pilze (die in der Vogelmedizin oft ein viel größeres Problem darstellen), zweitens fehlen die für die Vitaminbildung zuständigen Mikroorganismen. Damit soll die große Bedeutung der Antibiotika auch in der Vogelmedizin nicht geleugnet, sondern nur richtig platziert werden. So kann zum Beispiel ein von einer Katze gebissener Vogel (und sei der Zahnkratzer noch so winzig) nur durch eine schnellstmögliche geeignete Antibiotikagabe gerettet werden, denn die im Katzenmaul regelmäßig vorzufindenden Pasteurellen sind für den Vogel stets lebensbedrohend.

Bei Viren handelt es sich um Erreger, welche die Zellstruktur beeinflussen und zum Teil (mit Hilfe eines Elektronenmikroskops feststellbare) typische Einschlusskörperchen in den befallenen Zellen bilden. Häufige Vogelvirosen sind PBFD, Polyoma, PDD, Pacheco und Kanarienpocken. Sie haben oft die unangenehme Eigenschaft, dass sie sich bereits lange vor dem Ausbruch der Krankheit im Vogelorganismus befinden können. In dieser Zeit können vom (äußerlich gesunden) Vogel trotzdem viele Viren ausgeschieden werden, die natürlich andere Vögel anstecken können. Viele Virusinfektionen sind heute durch moderne genetische diagnostische Verfahren wie PCR sowie serologische Untersuchungen nachweisbar. Eine Behandlung von Viruserkrankungen ist aufgrund der Eigenschaften der Erreger oft sehr problematisch. Die Prophylaxe ist hier deshalb besonders wichtig. Neben Schutzimpfungen, welche es gegen manche Vogelvirosen bereits gibt, hat die Quarantäne gekoppelt mit Ankaufs- sowie Bestandsuntersuchungen eine besondere Bedeutung.

Pilzinfektionen (Mykosen, Aspergillose) haben bei Vögeln im Vergleich zu den Säugern auf Grund einiger anatomischer und physiologischer Besonderheiten eine besondere Bedeutung. Bei Stubenvögeln sind Pilzinfektionen das größte Gesundheitsproblem überhaupt. Die Ursachen hierfür sind sowohl in den Haltungsbedingungen als auch in der Fütterung und Betreuung der Tiere zu suchen. Die Frage der ungenügenden Luftfeuchtigkeit (in ihrer Heimat über 80%) und der oft nur geringen Flugmöglichkeiten stellen dabei ein Schlüsselproblem dar. Die Schleimhäute der Atemwege werden bei zu geringer Luftfeuchte brüchig und somit empfänglich für eine Pilzbesiedelung. Bei der Fütterung sollte neben der Einhaltung der Bedarfsnormen für Vitamine und Mineralstoffe auch auf die Minimierung des Infektionsdruckes mit Pilzsporen geachtet werden. Besonders Erdnüsse sind stark mit Pilzsporen belastet und gehören daher nicht ins Vogelfutter! Auch wenn sie zugegebenermaßen gut schmecken. Ein abwechslungsreiches Papageienfutter sollte eine große Auswahl an Gemüse (z.B. Möhren, Rote Beete, Kohlrabi…) und Obst (z.B. Apfel, Weintrauben, Banane…) enthalten.

Parasiten werden in Endo- (im Inneren des Körpers) und Ektoparasiten (außerhalb des Körpers) unterteilt. Die Ansteckung kann direkt oder indirekt (über Zwischen- bzw. Sammelwirte) sowie über Vektoren (z.B. Kleidung, Wildvögel) erfolgen. Allgemein gilt, dass die Ansteckungsmöglichkeiten eines Stubenvogels geringer sind als die eines Volierenvogels. Der Anschaffung eines Vogels für die Zimmerhaltung sollte deshalb eine gründliche Untersuchung auf Parasiten und gegebenenfalls eine vorbeugende Behandlung  folgen. In Zuchtanlagen lehrt die Erfahrung, dass man zumindest bei Spul- und Haarwürmern ohne prophylaktische (vorbeugende) Behandlungen auf die Dauer nicht auskommt. Zum Glück braucht man bei den modernen Antiparasitika bei Einhaltung der Dosierungsempfehlungen keine besonderen Nebenwirkungen zu befürchten. Für eine genaue Dosierung ist die direkte Verabreichung des Mittels einer Trinkwasserverabreichung unbedingt vorzuziehen.

Die meisten Infektionskrankheiten können durch das Immunsystem des Vogels allein nicht überwunden werden. Erschwerend kommt die eingangs erwähnte Eigenschaft der Vögel hinzu, Krankheitsanzeichen sehr lange zu verbergen, um nicht in der Rangordnung abzurutschen. Und das in Verbindung mit dem sehr intensiven Stoffwechsel dieser Tiergruppe!

Um einer steten Verschlechterung des Gesundheitszustandes bis hin zum möglichen Tod des Vogels vorzubeugen, sollten Vögel mit Verdacht auf solche Erkrankungen und mit unklarem Krankheitsbild möglichst schnell dem Tierarzt vorgestellt werden. Je eher mit einer gezielten Behandlung begonnen werden kann, desto besser sind die Heilungschancen.